Wie ich lernte, das Homeoffice zu lieben

– und wie Führungskräfte ihr virtuelles Team motivieren.

Sieben Jahre im Homeoffice. Das hört sich für viele sicher furchtbar an – irgendwie nach Knast. Seit ich mich 2013 selbstständig gemacht habe, arbeite ich fast ausschließlich von zu Hause aus. Tatsächlich war das Homeoffice das, was mir bei meiner Gründung das meiste Kopfzerbrechen bereitete. Wird es mir schwerfallen, mich zu motivieren? Werde ich vereinsamen? Werde ich nur noch im Pyjama vor dem Rechner sitzen und mich zu nichts mehr aufraffen können? All das ist nicht passiert. Im Gegenteil: Ich habe gelernt, das Homeoffice zu lieben. Und dabei einige Beobachtungen gemacht, die für alle nützlich sein können, die entweder selbst häufiger im Homeoffice arbeiten wollen oder als Führungskraft damit konfrontiert werden, dass sie ihre Mitarbeiter*innen künftig seltener zu Gesicht bekommen.

Homeoffice: geradezu alternativlos

Bei meiner Gründung hatte ich noch keine Kinder. Jetzt, wo sie da sind, weiß ich vor allem diesen einen Vorteil des Homeoffice zu schätzen: Ich spare viel Zeit, weil ich nicht pendeln muss. Stattdessen spaziere ich jeden Morgen durch unsere kleine Stadt und bringe die Kinder in Krippe und Kindergarten – ein sehr viel besserer Start in den Tag, als ich ihn im Stau auf der Autobahn nach Frankfurt hatte! Das Homeoffice macht es mir möglich, beinahe in Vollzeit zu arbeiten. Für viele Mütter steht fest, dass sie nach der Elternzeit nur noch halbtags berufstätig sind. Auch wenn mein Mann ebenfalls Vollzeit arbeitet, lässt sich unser Alltag dank Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten gut organisieren, ohne dass die Kinder zu kurz kommen.

Es gibt einen weiteren Punkt, der den Abschied vom Pendeln aus meiner Sicht unabdingbar macht: den Klimaschutz. Heute erscheint es mir bizarr, dass ich früher Tag für Tag rund 60 Kilometer mit meinem Benziner zurückgelegt habe. Vor diesem Hintergrund und in meiner aktuellen Situation finde ich das Homeoffice geradezu alternativlos. Doch der Grund dafür, dass ich es nicht nur schätze, sondern liebe, ist ein anderer:

Ich erreiche ein ungeahntes Maß an Produktivität.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich zu Hause in Ruhe arbeiten und mich sehr viel besser konzentrieren kann – auch mehrere Stunden am Stück. Das war im Büro nicht möglich. Ständig wurde ich unterbrochen und abgelenkt. Es kam jemand an meinen Schreibtisch, ich hörte, wie sich andere unterhalten, dann wurde zum kollektiven Gang in die Espressobar gerufen, … Das alles war nett. Aber ich kam selten in den Flow, der für meine Arbeit essentiell ist. Jetzt genieße ich es, mich in das, was ich tue, zu vertiefen und sehr schnell richtig gute Ergebnisse zu erzielen.

Wie gelingt es, im Homeoffice motiviert zu bleiben?

An Motivation mangelt es mir nie. Ich liebe das, was ich tue. Es ist meine Passion. Wenn ich schreibe, bin ich glücklich. Mache ich meine Arbeit gut, spiegeln mir die Menschen, die mich beauftragt haben, das wider. Das alles hat natürlich sehr viel damit zu tun, dass ich freiberuflich arbeite. Trotzdem bin ich mir sicher, dass auch Angestellte im Homeoffice hoch motiviert und enorm produktiv sein können.

Vielleicht müssen Führungskräfte ihren Teams erlauben, sich ein bisschen wie Freiberufler*innen zu fühlen.

Vertrauen Sie ihren Mitarbeiter*innen! Wer Aufgaben hat, die wichtig und reizvoll erscheinen, sich dafür verantwortlich fühlt und wertschätzendes Feedback erhält, wird einen guten Job machen – auch von zu Hause aus. Ob Homeoffice funktioniert oder nicht, hängt meines Erachtens weniger von der Persönlichkeit ab als davon, wie es generell um die Prozesse und die Kultur eines Unternehmens bestellt ist. Wenn Ihre Mitarbeiter*innen sagen, dass sie gut und gerne von zu Hause aus arbeiten, können Sie sich darüber freuen! Denn Sie dürfen davon ausgehen, dass sie sich in ihrem Job besonders wohlfühlen und ihn exzellent erledigen.

Kommen wir nun zu dem großen vermeintlichen Schwachpunkt des Homeoffice: dem Mangel an Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Nach einigen Wochen im Homeoffice fiel mir auf, dass zwar die Quantität meiner Kontakte rapide gesunken war, nicht aber die Qualität. Statt in der Mittagspause meist der eigenen Abteilung in die Kantine hinterherzutrotten, hatte ich begonnen, mich gezielt mit Menschen zu verabreden, mit denen ich mich austauschen wollte. Außerdem greife ich gerne zum Telefon, auch für einen Smalltalk.

Ich lese oft, dass der Vertrauensaufbau nur gelingt, wenn sich Menschen zumindest hin und wieder von Angesicht zu Angesicht sehen. Da ist bestimmt etwas Wahres dran. Aber das Homeoffice hindert uns nicht daran, diese persönlichen Kontakte zu haben. Wir müssen uns nur aktiver darum kümmern. Davon abgesehen: Eine meiner liebsten früheren Kolleginnen – und jetzigen Kundinnen – habe ich erst einige wenige Male im Leben gesehen. Trotzdem könnte das gegenseitige Vertrauen kaum größer sein.

Warum dann überhaupt ins Büro?

Ich bin davon überzeugt, dass der Büroarbeitsplatz, wie wir ihn heute noch kennen, ausgedient hat. Für alle, die zum Arbeiten vor allem einen Rechner und einen Internetanschluss benötigen, wird das Homeoffice die Regel, nicht mehr die Ausnahme sein. Das Büro kann aber eine neue Rolle einnehmen: als Inspirationsquelle. Hierüber veröffentlichte der Harvard Business manager einen interessanten Artikel von Stefan Rief, Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.

Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass Mitarbeiter*innen nur noch ins Büro kommen werden, wenn es für sie dort „die besten Voraussetzungen für Einzel- und Gruppenarbeit sowie für Inspiration“ gibt. Dazu müssten Unternehmen die Büros „flexibilisieren, digitalisieren und ihren Mitarbeitern mehr Möglichkeiten zum konzentrierten Arbeiten geben“. Ein Herzstück des Büros der Zukunft könnten kognitive Arbeitsplätze sein, bei denen „Temperatur, Beleuchtung und vielleicht sogar Duft“ auf die aktuelle Stimmung und Aufgabe abgestimmt sind. Sie sollen „Kreativität, Konzentration, Wohlbefinden, ja vielleicht sogar die Gesundheit“ unterstützen.

Ich gebe zu: Die schöne neue Bürowelt, wie Rief sie schildert, klingt verlockend. Und doch ist es für mich schwer vorstellbar, dass es irgendeinen Ort gibt, an dem ich lieber und besser arbeiten kann als genau hier: an meinem Schreibtisch zu Hause.

 

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