Gendern ist einfach, macht Spaß und hat bessere Texte zur Folge. Steile Thesen? Ich gebe zu: Ich gehöre selbst zu denen, die sich lange Zeit gegen das Gendern gewehrt haben. Auch ich dachte: Was soll der Mist? Inzwischen bin ich aber davon überzeugt, dass das Gendern eine gute Sache ist – und dass es einen sehr viel besseren Ruf verdient hat.
Warum Gendern sein muss
„Porträt über die Biontech-Chefs“ – wer eine solche Headline liest und die „Chefs“ noch nicht kennt, sieht vor seinem inneren Auge vermutlich zwei oder mehr Männer. Fest steht: Es muss sich um eine Gruppe handeln, in der mindestens ein Mann vertreten ist – sonst würde es „Chefinnen“ heißen. Ob zu den „Chefs“ aber auch eine Frau gehört? Die Headline geht nach einem Doppelpunkt weiter: „Das Forscherpaar“. Vielleicht ein schwules Pärchen? Erst das Bild, das einen Mann und eine Frau zeigt, löst das Rätsel.
Für mich ist das ein schönes Beispiel dafür, warum es wichtig ist, gendergerecht zu schreiben: Weil nie klar ist, ob Frauen eventuell mitgemeint sind – und die Welt der Chefs, Vorstände und Forscher in unserer Vorstellung eine männliche bleibt.
Aber das Gendern nervt und ist kompliziert!
In der Praxis zeigt sich, dass das nicht stimmt. Mit etwas Übung ist es überhaupt kein Problem, gendergerecht zu schreiben. Und nein, die Texte leiden auch nicht darunter. In der Regel wird Ihnen überhaupt nicht auffallen, dass Sie gerade einen gegenderten Text lesen – wie diesen hier zum Beispiel.
Wie klappt’s?
Ganz wichtig ist: Richten Sie nicht den Fokus darauf, einzelne Wörter gegen gendergerechte auszutauschen. In den meisten Fällen ist es einfacher, von Grund auf anders zu formulieren.
Die deutsche Sprache bietet dazu glücklicherweise eine Vielzahl von Möglichkeiten. Ein paar Beispiele, was meiner Erfahrung nach besonders gut funktioniert:
- Direkte Ansprache
Bei „Sie“ oder „du“ spielt das Geschlecht keine Rolle. Gleichzeitig schaffen Sie mehr Nähe. Das gleiche gilt, wenn Sie sich mit einem „wir“ mit einbeziehen. - Relativsätze
Aus den „Mitarbeitern“ sollen nicht immer „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ werden – und „Mitarbeitende“ klingt seltsam? Mit Relativsätzen geht es eleganter: „Wer bei uns arbeitet, …“ Oder auch: „Alle, die bei uns arbeiten, …“ - Neutrale Begriffe
Bleiben wir beim Beispiel „Mitarbeiter“. Hier könnte es auch passen, ganz neutral vom „Team“ zu sprechen. In anderen Fällen, etwa bei „einem Nutzer“, kann stattdessen einfach von „einer Person“ die Rede sein. Das klingt oft auch netter. - Abstrakte Begriffe
Manchmal ist es gar nicht schlimm, wenn es etwas unpersönlicher wird. An der einen oder anderen Stelle können „die Gründerinnen und Gründer“ auch durch „das neu gegründete Unternehmen“ ersetzt werden, ohne dass es jemandem wehtut. - Konkretisieren
Oft greifen wir einfach aus Gewohnheit auf nicht gendergerechte Wörter zurück. Da hilft es zu hinterfragen, was denn eigentlich gemeint ist. Aus einem nichtssagenden „benutzerfreundlich“ könnte auf diese Weise ein „besonders leicht zu bedienen“ werden.
Und wenn nichts mehr geht?
Dann kann eventuell ein Gender-Wörterbuch nützlich sein, wie es auf der Website geschicktgendern.de zu finden ist. In der allergrößten Not kann auch das Gender-Sternchen helfen. Es setzt sich laut Duden immer mehr durch und hat den Vorteil, dass es Menschen mit anspricht, die sich weder als weiblich noch als männlich definieren. In der Praxis werden Sie nur sehr selten auf das Gender-Sternchen zurückgreifen müssen.
Mein Fazit
Gendergerechtes Schreiben erfordert, sich ein paar mehr Gedanken zu machen. Das hat nun wirklich noch nie geschadet! Das Ergebnis sind im besten Fall Texte, die nicht nur für Frauen und Männer gleichermaßen gelten, sondern auch ansprechender, treffsicherer und menschlicher sind – oder in einem Wort: besser.
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